Gebäude
Architekturmodellbau im Massstab 1:45
Gebäude und Baustile prägen den Charakter von Landschaften und Regionen. Hier wollten wir durch eine geschickte Auswahl passender Vorbilder das Umfeld der Gotthardbahn und anderer Schweizer Bahnstrecken nachbilden. Dabei ging es weniger um den minutiösen Nachbau von bestimmten Vorbildsituation als um die Erschaffung von typischen, glaubwürdigen Szenerien.
Manch eine Besucherin oder ein Besucher meinte schon, dieses oder jenes Gebäude schon einmal irgend wo in der Wirklichkeit gesehen zu haben. Dabei sind gerade mal die beiden Bahnhofsgebäude, ein Stellwerk und ein Bahnwärterhaus nach Originalplänen gebaut. Alles andere entsprang dagegen weit gehend unserer Fantasie.
Wichtig war uns aber, dass der Gesamteindruck stimmte und authentisch wirkte .’Weniger’ war auch hier oft ‘mehr’ und eine thematische Abgrenzung war unabdingbar. So haben wir auch hier wiederum die Fotobände der Gotthardbahn konsultiert und schon durch eine sinnvolle Auswahl eine gewisse Harmonie erreicht. Denn längst nicht alles, was heute irgendwo steht, passt auf eine Anlage mit einem bestimmten Thema.
Hier war es auch angesagt, sich zeitlich in etwa festzulegen. Wir wählten die Epoche IV im Zeitraum der achtziger Jahre, ohne allzu pedantisch zu sein. Nun, wie entstanden unsere Häuser?
- Gebäudebau als Chefsache
Wie bei anderen Themen war auch der Gebäudebau die Domäne einzelner Spezialisten, hier sogar eines einzigen. So entstanden praktisch alle Gebäude, welche auf der Anlage zu sehen sind, durch die geschickte Hand unseres Präsidenten. Lassen wir ihn deshalb gleich selbst zu Wort kommen:
“Bei meinen ersten Versuchen erstellte ich die Wände der Gebäude noch aus Sperrholz. Schon bald lernte ich aber ein in der Dekorationsbranche verwendetes Material kennen, welches ein wesentlich einfacheres Arbeiten versprach. Bei dem unter verschiedenen Namen wie Depafit oder Architekturkarton bekannten Material handelt es sich um eine geschäumte Platte welche beidseitig mit Karton beschichtet ist. Ich verwende hauptsächlich solche in einer Dicke von 5 mm, um auch die Fenster- und Türdurchbrüche realistisch darstellen zu können.
Das Material lässt sich hervorragend mit dem Japanmesser schneiden, mit Schmirgelpapier bearbeiten und mit Weissleim verkleben. Das Ganze ist sehr Formstabil, verzieht sich nicht und ist zu dem auch sehr leicht. Also alles in allem ein ideales Modellbaumaterial. In Kombination mit den Polystyrolprofilen- und Platten aus dem Evergreen-Sortiment lässt sich damit praktisch jede architektonische Herausforderung meistern. Natürlich braucht es auch bei diesem Thema einiges an vorausgehenden Überlegungen und zudem eine gehörige Portion Geduld”.
Wenn man aber einmal die Grundmasse eines Gebäudes wie Stockwerkshöhen, Türabmessungen oder Fenstergrössen kennt, kann man sich sogar selbst als Architekt betätigen. Dabei darf man aber einige grundsätzliche Dinge nie ausser Acht lassen: Von aussen sieht man den Gebäuden jeden Statikfehler an, deshalb ist es sehr wichtig von Anfang an die Raumeinteilung zu berücksichtigen. Ein Treppenhaus muss z.B. in jedem Stockwerk vorhanden sein und auch die Grösse von Fenstern weicht je nach Raum erheblich ab. Gängige Masse lassen sich im eigenen Haus jederzeit kontrollieren und ich habe mir zudem angewöhnt, immer eine Spur 0 Figur zu Vergleichszwecken bereitzuhalten.
Wir erstellen nun Schritt für Schritt ein Gebäude: Als erstes werden alle Seitenwände zugeschnitten und darauf die Aussparungen für Türen und Fenster eingezeichnet. Mit dem X-Acto Messer, welches wir entlang eines Stahllineals führen, schneiden wir die Öffnungen aus. Normalerweise erfolgt dies in drei Schritten: oberste Schicht – Schaumstoff – unterste Schicht. Der Versuch, die Platte mit einem einzigen Schnitt zu durchtrennen, schlägt meist fehl und vor allem lässt sich die Klinge nicht senkrecht führen.
Sind alle Durchbrüche vorhanden, müssen wir nun die Gehrungen für die Ecken schneiden. Auf der Innenseite der Wände wird der Deckkarton mit 5mm Abstand zum Rand eingeritzt und dann mit einer sauberen Klinge die 45°einer Kante entlang geschnitten. Bevor wir alle vier Seiten zusammensetzen geht es zuerst an die Gestaltung und Komplettierung der Aussenwände .Zuvor müssen die sichtbaren Schnittkanten mit 1mm dickem Evergreen Material abgedeckt werden, damit der Schaumstoff gegen aggressive Farben beim späteren Spritzen geschützt wird. Simse, Rahmen und Absätze werden mit Polystyrol in verschiedensten Stärken und Dimensionen dargestellt. Dieses Material kann bei Old Pullman in Stäfa oder im Modellbahnfachhandel bezogen werden . Sind alle Teile bereit, fügen wir die Wände mit wasserfestem Weissleim zusammen .
Bereits jetzt sollten wir uns Gedanken über Farbgebung und Struktur des Hauses machen. Im Farbenge schäft gibt es Sprühfarben mit Struktureffekt, welche sich hervorragend dazu eignen, eine Rauhputzfassade darzustellen (zu sehen bei W.Müller’s Brennstoffhandel).
Andernfalls wird der gewünschte Farbton, vorzugsweise in Matt, aufgebracht. Danach müssen die Fensterstürze und Simse von Hand farblich abgesetzt werden. Sobald alles gut durchgetrocknet ist, kleben wir die Fenster aus Plexiglas, sowie die Fensterrahmen, ein.
- Hausdächer
Ein besonderes Thema sind die Dachziegel. Leider gab es praktisch früher nur einen Hersteller welcher Dachplatten für unsere Massstab herstellte, nämlich ADDIE. Diese Platten hatten jedoch den wesentlichen Nachteil, dass sie recht klein waren, deswegen musste ein Dach wie bei unserem Bahnhof Ponte Eugenio aus unzähligen Stücken zusammen gesetzt werden. Es gab auch schon Versuche, Ziegel aus Messing ätzen oder aus Karton lasern zu lassen. Leider scheiterten diese Methoden an ihren hohen Kosten.
Alle Dächer unserer Häuser sind abnehmbar, damit wir in einer späteren Phase noch Inneneinrichtungen und Beleuchtung einbauen können. Zu guter Letzt wurden die Kamine und Dachrinnen montiert, und falls es gewünscht ist, werden die Gebäude noch mit Verwitterungsspuren versehen.
- Fensterrahmen
Immer wieder werden wir gefragt, wie wir die Unmengen von Fensterrahmen herstellen. Bei uns wird zuerst das Plexiglas hinter die Fensteröffnung geklebt und erst nachher die aus Evergreen zugeschnittenen Sprossen mittels Flüssigkleber von aussen eingeklebt. Dank dieser Bauweise passt bei uns jedes Fenster absolut genau in die vorhandene Öffnung!
- Airbrush und Farben
Die Anschaffung einer Spritzpistole lohnt sich in jedem Fall, ist doch diese nicht nur beim Gleis- und Landschaftsbau, sondern auch zum Verwittern von Gebäuden und Fahrzeugen ein äusserst nützliches Instrument.
Heute verwenden wir praktisch nur noch wasserverdünnbare Farben auf Acrylbasis. Diese haben den Vorteil, dass sie praktisch Geruchsfrei sind und auch weniger Spritznebel entstehen lassen. Zudem haften sie hervorragend auf allen von uns verwendeten Materialien wie etwa Gips, Kunststoff oder auch Metall. Die von uns verwendeten Polly Scale Farben sind beispielsweise bei Old Pullman, Stäfa erhältlich.
Hervorragend bewährt haben sich für unsere Zwecke Beton (Concrete), verwitterter Beton, (Aged concrete) Schienenbraun (Railroad tie brown) oder Rost. (Rust)Zur Vermeidung von feinen Farbknollen und Verstopfung der Düsen dient ein kleiner Damenstrumpf, durch den die Farben vor dem Spritzen gefiltert werden !
- Kitbashing
Dieser aus dem Englischen stammende Ausdruck bezeichnet die Möglichkeit, aus verschiedenen Bausätzen einzelne Teile zu verwenden und daraus neue Variationen entstehen zu lassen. Hauptsächlich in den USA ist diese Methode weit verbreitet.
Der Rampenteil der “Landi” entstand auf diese Weise unter Verwendung von Teilen eines Lokschuppens, welchen wir zufällig erstehen konnten. Auch der ältere Teil der Werkzeugmacherei basiert auf denselben Wandelementen. Allerdings versuchten wir hier, durch das Variieren der Farben von einer Typengleichheit abzulenken. Die geschickte Kombination von Alt- und Neubau trägt ebenfalls dazu bei, die Gebäude glaubhaft und wie nach Original gebaut wirken zu lassen.
Im Kit-Bashing-Verfahren entstand auch die Fussgängerüberführung im südlichen Bereich von Pte.Eugenio. Diese besteht aus vier zusammen gebauten Kibri HO-Brücken, für welche die Treppenaufgänge selbst konstruiert wurden .
- Der Bahnhof Ponte Eugenio
Eine besondere Herausforderung war und ist das Bahnhofsgebäude von Pte.Eugenio. Obwohl wir für dessen Bau auf die Originalpläne von Bellinzona zurückgreifen konnten, musste man auch bei diesem Gebäude einige Kompromisse eingehen. Zum einen ist beim Vorbild die Fläche von Norden nach Süden hin abfallend, zum Anderen wäre der Aufwand für einen akribisch genauen Nachbau einfach unverhältnismässig gross geworden. Es ist nicht immer leicht, das goldene Mittelmass zu finden, aber wenn ein echter Lokführer schon auf den ersten Blick “„das ist ja der Bahnhof von Bellinzona !” ausruft, sind wir davon überzeugt, das richtige Verhältnis zwischen Vorbildtreue und Kompromissen im Modell gefunden zu haben.
Trotz der enormen Länge unseres Bahnhofgeländes mussten wir auf den Bau des auf der Nordseite liegenden Postgebäudes verzichten, was aber kaum stört, denn das Modell wirkt auch so noch sehr stattlich.
Die einzelnen Gebäudeteile sind herausnehmbar, wobei man allerdings nach einer bestimmten Reihenfolge vorgehen muss. Grund dafür sind die vielen Simse und Anbauten, welche auch sonst beim Bau einige Herausforderungen darstellten.
Begonnen haben wir mit dem Mittelteil. Nach langen Gedanken, wie die Ausschnitte für die Rundbogenfenster sauber herzustellen wären fanden wir zum Glück in einer Papeterie einen Schneidezirkel, mit dessen Hilfe saubere Schnitte möglich waren. Die Simse sind aus bis zu vier verschiedenen Profilen von Evergreen zusammengesetzt, welche beim Übergang der einzelnen Gebäudeteile auf Gehrung geschnitten werden mussten.
Die Rundbögen über den Fenstern im Erdgeschoss hat unser Mitglied Richi Thuss hergestellt . In seiner heimischen Werkstatt drehte er dazu erst einen Ring, sägte diesen auf und setzte den Firststein ein. Nachdem er eine Silikonform erstellt hatte, goss er mittels “Flüssigholz”, einem Acryl-Giessharz (erhältlich bei der Firma Swiss Composite Group) die benötigte Stückzahl ab.
Die Dächer der verschiedenen Gebäudeteile bestehen aus verschiedenen Materialien. So ist z.B. das Dach des Durchgangs aus Alublech und die Dachflächen der seitlichen Anbauten am Hauptbau bestehen aus Kunststoff. Die Rippen der Dachbleche bestehen in beiden Fällen aus Polystyrolprofil, jedoch in unterschiedlicher Form. Während sie beim Hauptgebäude mit umgekehrt aufgeklebten L-Profilen dargestellt wurden, habe ich beim Dach des Durchgangs Profile von 0.5 x 1mm verwendet. Durch diese unterschiedlichen Bauweisen besteht die Möglichkeit, den Blechaufbau optisch nicht zu monoton wirken zu lassen.
Die Verzierungen unterhalb des Dachs haben wir schliesslich im Sortiment von Old Pullman gefunden. Es handelt sich dabei um “Viktorian Brakets” aus dem Angebot von Grandt Line aus den USA. Dieses Beispiel zeigt, dass es in unserer Spurweite nicht immer ganz so einfach ist, an geeignetes Material zu kommen.
- Namen unserer Mitglieder
Beim Bau der ersten Industriegebäude kam Peter Lienhard plötzlich die Idee mit den Namen – warum sollten unsere Mitglieder nicht in irgendeiner Form auf der Anlage verewigt werden?
So erhielt als erster Richard Thuss seine Metall- und Werkzeugfabrik, Hans Ruedi Frehner sein Betonwerk samt betriebseigener Transportmittel, Willi Müller ist stolzer Besitzer einer Brennstoffhandlung, Renato Zimmermann betreibt die Cramperstube beim Rangierbahnhof und unser Meistergleisbauer Eugen Meier gab dem Bahnhof Ponte Eugenio seinen Namen.
Nur der Bahnhof Kamins bildet eine Ausnahme: Er wurde so benannt, weil unsere Bergstrecke um den Kamin herum geführt ist! Noch sind genügend Bauprojekte vorhanden, um einmal jedes Mitglied auf seine Weise hervorzuheben.