Gleisbau

Gleise, Weichen, Oberbau und Kurvenüberhöhung

Keine Kompromisse machen wollten wir beim Gleis- und Unterbau. Wie richtig dieser Entscheid war, zeigte sich später. Wer etwa ein Eurocity gesehen hat, der sich sanft in die Kurve neigt und elegant am Betrachter vorüberzieht, versteht weshalb.

Gotthardbahn der Epoche II/III: Am Eingang eines Kehrtun­nels begegnet die Ae 3/6 II der BBC-Probelokomotive Ce 6/8 I 12301. Tunnelportal und Stütz­mauern fügen sich harmonisch in die Gebirgslandschaft ein.

  • Grundlegendes

Die Faszination der Eisenbahn hat viel mit der Eleganz ihrer Schienenstränge zu tun. Schlanke Weichenverbindungen und sanfte, präzise verlegte Gleisbögen mit Kurvenneigung erlauben schweren Zügen das Verkehren mit respektab­ler Geschwindigkeit bei hohem Fahrkomfort. Die Realisierung von Kurvenüber­höhungen mit Übergangsbögen neben möglichst grosszügigen Radien stand für uns von daher von Anfang an ausser Frage.

Zuerst ging es einmal darum, die benötigten Trassen zu erstellen. Für das Aufzeichnen der Kurvenradien auf den Grundplatten konstruierten wir eigens einen riesigen Zirkel, mit dessen Hilfe wir die benötigten Radien von 2,5 Metern und mehr problemlos aufzeichnen konnten. Den Zirkel benutzten wir anschliessend auch zum Führen der Stichsäge, damit die Schnitte wirklich stimmten.

Auf die Trassebretter verlegten wir vorerst über die gesamte Breite 2mm dicken Kork. Darauf folgte als Gleisunterlage nochmals ein Streifen von 6mm. Somit konnten wir später die Böschung des Schotterbetts schön darstellen und gleichzeitig erreichten wir eine Schallisolation zwischen Gleis und Rahmen.

Wie beim Vorbild realisierten wir Kurvenüberhöhungen in allen Gleisbögen. Dazu sind Übergangsbögen zwischen den Geraden und den Kurvenradien vorzusehen. Diese tragen letztlich wesentlich zu einem guten Gesamteindruck der Gleisanlagen  bei. Nichts ist störender als ein langer Zug, der sich ruckartig von der  Geraden in den Bogen bewegt, indem die Enden der Personenwagen plötz­lich ausscheren. Aber auch für die Betriebssicherheit sind präzise ausgeführte Übergangsbögen unabdingbar, insbesondere, wenn man  mit  Schraubenkupplungen verbundene Kompositionen, deren Wagen Puffer an Puffer gekuppelt sind, problemlos einsetzen will.

Die Gleislage im Bereich der Über­gangsbögen wurde entsprechend den Empfehlungen von NEM 113 konstruiert und mittels grossen Kar­tonschablonen auf das vorbereitete Trasse aufgezeichnet. Nach der Markierung der Gleislage konnten die Streifen der Korkgleis­bettung verlegt werden.

Nun ging es um die Kurvenüber­höhung. NEM 114 schlägt für Spur 0 eine Überhöhung von 2 mm vor, was einer Neigung von ca. 3,5° ent­spricht. Um von der Horizontalen in die Kurvenneigung zu gelan­gen, liessen wir die Schiene der Bogenaussenseite sanft ansteigen, indem wir die Höhe der Gleisjoche alle 12,5cm um 0.5 mm steigerten; Hier war also äusserst genaues Ar­beiten angesagt!

Viel Lehrgeld bezahlten wir aller­dings bei den Gleisen selbst. Weil wir von einer längeren Lebens­dauer und einer höheren Reibung der Triebfahrzeuge ausgingen, setzten wir auf Stahlprofile. Dazu bestellten wir 3-Meter Profile und liehen uns eine Einzugsvorrichtung aus, um unsere Flexgleise herstel­len zu können.

Dazu wurde die Schwellen der Firma OC-Track in die Form eingelegt, mit Hilfe von Stangen und Flügel­schrauben fixiert und abschliessend wurden die Profile an Stahlseilen mit Hilfe einer Winde in einem Arbeits­gang eingezogen.

Erst später, als wir die ersten Gleise verlegen wollten, stellten wir fest, dass die Profile total verwunden waren . Es war unmöglich, die Glei­se gerade zu verlegen . Also wurde die ganze Übung abgebrochen und alle Profile wurden wieder demon­tiert.

Als Alternative boten sich Neusilber­profile an. Nach längerem Suchen fanden wir bei der damaligen Fir­ma Schullern in Freilassing unser gewünschtes Profil in der Länge von 3 Metern. Wir fuhren ins Werk um die Ware abzuholen, denn ein Versand per Post war nicht bezahl­bar. Nun fing die ganze Sache von Neuem an! Schwellen einlegen, festschrauben, Profile an den Stahlseilen festmachen und ganz vorsichtig kurbeln, damit ja keine Kleineisen beschädigt würden …

  • Übergangsbogen

Die Normen Europäischer Modell­bahnen definieren unter NEM 113 Übergangsbogen folgendermassen: Der unmittelbare Anschluss eines Kreisbogens aneine Gerade oder an einen Gegenbogen be­wirkt bei der Durchfahrt von Fahrzeugen einen seitlichen Ruck durch die plötzliche Richtungsän­derung sowie eine gegenseitige Verschiebung benachbarter Fah­rzeugenden. Um diese störenden Erscheinun­gen zu mindern, empfiehlt es sich, auf der freien Strecke und in den Durchfahrgleisen der Bahnhöfe Übergangsbögen einzuschalten. Der Übergangsbogen ist eine Kurve mit sich stetig verändern dem Radius, der sich beim Übergang aus der Geraden von unendlich bis auf den Radius des anschliessenden Kreisbogens vermindert.

  • Zum ersten Mal fahren !

Trotz all unserer Rückschläge ver­gassen wir aber unser Ziel, endlich fahren zu können, in keiner Minute. Stück um Stück wurden die Gleise auf dem Kork aufgeklebt und bis zum Abbinden des Kontaktleims mit Nägeln fixiert. Diese wurden später wieder entfernt, damit der Schall nicht auf die Grundplatten übertragen wird. Unter der gesam­ten Anlage verlegten wir eine Ring­leitung und speisten den Strom alle 3 Meter ein, um Spannungsabfälle zu vermeiden. Auch Trennstellen wurden bereits in diesem Stadium vorgesehen.

Am 13.07.1993 war endlich der erste Kreis geschlossen und bereits eine Woche später  der zweite. Die er­sten Züge rollten nun, wenn auch vorerst bloss auf der Höhe ‘Null’. Parallel zu den anderen Arbeiten schnitten wir bereits die Trassen für die künftigen Steigungs- und Gefällstrecken zu. Hier achteten wir besonders darauf, die Übergänge von der Horizontalen in die Steigun­gen sauber auszurunden, damit später keine Komplikationen im Fahrbetrieb auftauchen würden.

  • Weichenbau

Waren schon bei den Gleisen keine Fertigprodukte verfügbar, so traf dies erst recht auf die Weichen zu. Zudem war und ist gerade deren  Geometrie und Ausführung in Spur 0 besonders entscheidend. Um auch mit langen IC-Wagen wirklich Puffer an Puffer fahren zu können, waren schlanke Weichen mit gros­sen Abzweigradien Bedingung. Des­halb wählten wir auf Hauptgleisen ausschliesslich solche mit einem Abzweigwinkel von 7° bei einem Radius von minimal 3500mm, auf Nebengleisen auch 9°-Weichen.

Eine weitere, grundsätzliche Problematik besteht darin, dass verschiedenen Hersteller ihren Fahr­zeugen unterschiedliche Normen zugrunde legen – die einen rüsten Ihr Rollmaterial beispielsweise mit NEM-, die anderen mit Fine-Scale- Radsätzen aus. Die gewünschten Weichen sollten jedoch das Verkeh­ren von Fahrzeugen beider Normen ermöglichen.

Wie schon die Schienenprofile fanden wir schliesslich auch die Weichenbausätze mit der gewünsch­ten Geometrie im Programm von Schullern (Heute bei Hassler-Pro­file, Liechtenstein). Hier konnten wir zudem auf das Wissen und die Erfahrung unseres langjährigen Mitglieds Eugen Meier zählen, der für den Bau sämtlicher Weichen und DKW’s verantwortlich zeichnete. Für alle Bauarten fertigte er zunächst einmal entsprechende Schablonen und Lehren an. Darin wurden die Holzschwellen eingelegt. Fein detail­lierte Schienenstühlchen fanden wir bei Hegob in Deutschland. Diese wurden in die Profile eingeschoben und positioniert, bevor die ganze Weiche in die Lehre gelegt und mittels Araldit auf die Schwellen aufgeklebt werden  konnte.

Natürlich sahen wir im Bereich der Weichenzungen auch entsprechen­de Schienenplatten vor. Bei den im Schattenbahnhof verwendeten Weichen von Model-Rail hatten wir zusätzlich in die Herzstücke passende Messingstreifen einge­legt. Damit laufen die Spurkränze in der Höhe geführt, so dass auch Fahrzeuge mit ungenau einge­stellten Radsätzen sicher darüber verkehren können. Die Radlenker der Schullern-Bausätze, welche nicht überzeugen konnten, wur­den durch originalgetreuere, selber gefertigte ersetzt. Letztlich musste noch die Stellschwelle eingebaut und die Herzstückpolarisation vorgesehen werde, und nach all diesen Arbeiten konnte endlich das Verlegen der fertig gebauten Weichen beginnen.

Bei den Weichenantrieben griffen wir auf die bekannten Produkte von Fulgurex zurück. Allerdings montierten wir diese zur Geräuschdämmung auf entsprechende Grundplatten und befestigten sie durch Gummielemente isoliert unter die Anlage. Um die Antriebe später leichter austauschen zu können, führten wir Leitungen steckbar aus, was sich bezahlt gemacht hat.

  • Gleise verwittern

Bereits vor dem Einschottern haben wir das Gleis inklusive der Schwellen mit einem Schokoladebraun aus der Sprühdose gespritzt. Wenn man dann später die helleren Farbtöne senkrecht von oben aufbringt, sind die Seiten der Gleisprofile immer noch dunkler als das Schotterbett und müssen nur noch auf der Oberseite von der Farbe befreit werden.

  • Einschottern der Gleise

Nachdem die ersten Strecken und Bahnhofbereiche verlegt waren, konnte man mit der Gestaltung der Details im Gleisbereich begin­nen. Hier war es wichtig, erstmals alle festen Teile wie Kabelkanäle, Weichenantriebskästen und Perron­ kanten vorzusehen. Auch die elektrischen Anschlüsse mussten vorgenommen und Probefahrten durchgeführt werden, bevor mit dem Einschottern begonnen werden konnte.

Beim Gleiskörper legten wir Wert auf eine realistische Farbgebung und wollten die Fehler anderer ver­meiden. So hat uns an vielen älteren Spur-0-Anlagen stets das meist viel zu dunkle und auch häufig zu grobe Schotterbett gestört. Nach­ dem wir selbst einige Versuche mit verschiedenen Materialien durchge­führt hatten, entschieden wir uns für den Schotter (Ballast) der Firma Woodland Scenics. Dieser weist eine massstäblich richtige Körnung und auch eine realistische graue Farbge­bung auf. Damit das Schotterbett nicht zu monoton wirkte, mischten wir zwei verschiedene Sorten mit ei­nem helleren und einem dunkleren Farbton zusammen. Im Gegensatz zu den anderen Produkten war auch nach dem vollständigen Austrock­nen kein Nachdunkeln feststellbar .

Die helle Schotterbettung erlaubte es auch, später mit der Spritzpistole mit verschiedenen Graubraun- und Rosttönen gezielt verwittert zu werden. Dies ist wichtig, denn nicht alle Gleise wirken einheitlich braun. So ist der Rost auf Hauptgleisen stets deutlich stärker sichtbar als auf den Neben- und Abstellgleisen.

Bild zeigt Re 4/4 mit IC Wagen

Re 4/4 mit IC Wagen

Das Bild zeigt Eine Ae 6/6 von Hermann mit ei­ nem Autozug aus selbstgebauten Off 52 - Wagen. Auch wenn die Kurvenüberhöhung im Modell betrieblich kaum Vorteile bringt, trägt sie doch wesentlich zum optischen Gesamteindruck bei.

Eine Ae 6/6 von Hermann mit ei­ nem Autozug aus selbstgebauten Off 52 – Wagen. Auch wenn die Kurvenüberhöhung im Modell betrieblich kaum Vorteile bringt, trägt sie doch wesentlich zum optischen Gesamteindruck bei.

Das Bild zeigt die Fertigung von Flexgeleisen: Alfred und Eugen Meier beim Einziehen der Schienenprofile in die Schwellenroste

“Fertigung” von Flexgeleisen: Alfred und Eugen Meier beim Einziehen der Schienenprofile in die Schwellenroste

Bild zeigt eine Einfahrt eines 'Re 10'-geführten Güterzuges in Ponte Eugenio.

Einfahrt eines ‘Re 10’-geführten Güterzuges in Ponte Eugenio. Um auch mit langen Wagen wirklich Puffer an Puffer fahren zu können, wählten wir bei allen Hauptgleisen schlanke 7°-Weichen und DKW

Eine Ae 6/6 wechselt über zwei DKW’s langsam aufs Hauptgleis. Auch Details wie Verschlussabdeck­ ungen und Antriebskästen tragen zum realistischen Aussehen bei.

Bei allen Weichen wurden die Radlenker durch selbst gebaute ersetzt. Bei den Weichen von Model-Rail wurden zudem dünne Messingstreifen in die Herzstücke eingelegt, damit die Radsätze nicht hineinfallen.

Das Gleis zeigt den Zustand nach dem Einschottern. Beim dahinter liegenden wurde bereits eine dünne Schicht Rostbraun aufgebracht. Die Farbe des Schotters bleibt dabei immer noch transparent sichtbar.

Perfekte Weichenstrassen und problemloser Betrieb mit allen Fahrzeugen – der Arbeit Lohn! Während auf Gleis 2 eine 1044 durchrauscht, wird auf Gleis 4 gerade ein Schnellzug der SOB abgefertigt.
Im Selbstbau entstanden auch die Weichen der Schmalspurbahn im Vordergrund.